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Eine ungehaltene Rede

Bei der Vernissage zur Ausstellung Till Mayer wollte Kurt Tauber vom Leder ziehen - eigentlich


Der Blog rund ums Deutsche Kameramuseum - 28. Juni 2015


Lang, lang ist's her: Till Mayer mit der frisch "erbeuteten" Marilyn-Monroe-Figur vor Mayers Buckel-Volvo (etwa 1990/1991). Bild unten zu Beginn des Textes: Till Mayer heute, Bild unten im Text: Kurt Tauber beim Abschiednehmen von Papp-MM...


Eigentlich wollte der heutige Museumsleiter und langjährige Tageszeitungs-redakteur Kurt Tauber anlässlich der Vernissage der Fotoausstellung von Till Mayer ("Die lange Reise") am Sonntag, 28. Juni 2015, zum Thema Journalismus etwas vom Leder ziehen. Angesichts der überschaubaren Zuhörerschar und der Tatsache, dass die meisten Till Mayer ohnehin schon kannten, verzichtete er kurzfristig auf seine vorbereiteten Ausführungen. Hier der Text dieser - in doppelter Hinsicht - ungehaltenen Rede:


"Meine sehr verehrten Damen und Herren,

liebe Freunde des Deutschen Kameramuseums!

Mit der heute beginnenden Ausstellung habe ich mir einen jahrelangen Wunsch erfüllt: einmal die Fotos von Till Mayer in aller Ruhe aus der Nähe und in einem ordentlichen Format studieren zu können, eintauchen zu können in seine Welt, die er uns in so packenden Aufnahmen nahe bringt, wie wir es von den besten Klassikern der Reportagefotografie kennen.

Till Mayer pflegt für mich noch eine Art des Journalismus, für den ich als Redakteur und Fotograf ein ganzes Berufsleben, immerhin 40 Jahre, gestanden habe: sich selbst ein Bild machen, eigene Texte erstellen, dazu möglichst eigene Fotografien.

Das ist – Gott sei’s geklagt – heutzutage offenbar etwas aus der Mode gekommen. Moderne Journalisten, wie sie sich in den Redaktionen breit machen, beziehen ihr Wissen von Wikipedia oder ergoogeln sich ihre Infos, lassen Leserreporter für sich knipsen und laden die Weisheiten anderer von Facebook herunter.

Statt wie wir früher auch nachts zu Bränden und Verkehrsunfällen zu fahren, um uns ein eigenes Bild - im wahrsten Sinne des Wortes – zu verschaffen, bedient  man sich heute der knipsenden Feuerwehrleute, gerne stellt man im Internet zum unredigierten Polizeibericht ein sogenanntes Symbolfoto dazu. Und das hat natürlich kein bezahlter oder gar festangestellter  Fotograf gemacht, sondern es stammt von einer Agentur.

Und so nimmt es kein Wunder, dass in allen Zeitungen das gleiche steht.

Till Mayer bewundere ich für seine Arbeit, weil er noch die klassische Herangehensweise verkörpert. Und weil er nicht auf Sensationsjournalismus aus ist, sondern dann kommt, wenn das Interesse der Kriegsberichterstatter erloschen ist. Till will den Alltag in den Krisengebieten erforschen und dokumentieren. Er zeigt die Menschen hinter den Zahlen und Fakten. Und er bleibt am Ball. Verfolgt seine Themen über Jahre hinweg. Till Mayer steht sozusagen für nachhaltigen Journalismus.

So war es nur eine Frage der Zeit, dass wir ihn hier im Deutschen Kameramuseum würdigen. Und natürlich war es auch nicht ungeschickt von Till Mayer, mich, der ihn in den Achtziger Jahren zum Journalismus gebracht hatte, seit bald 30 Jahren mündlich, fernmündlich und schriftlich beharrlich als seinen „Meister“ anzureden. Da musste ich ihn ja irgendwann einladen!

Ich erinnere mich noch gerne an den Tag Ende der Achtziger Jahre, als er in der noch neuen Pegnitzer Redaktion des Nordbayerischen Kuriers mit einigen Gesinnungsgenossen in Uniform hereinplatzte. Es waren aber keine Sympathisanten der Wehrsportgruppe Hoffmann, sondern Pfadfinder um einen 16-jährigen, unverschämt gut aussehenden jungen Mann, der mich so erfolgreich zutextete, dass ich zusammen mit den Pegnitzer Pfadis eine Hilfsaktion zum Bäumepflanzen in Afrika in unserer Lokalzeitung propagierte.

Die Bäume wurden in Afrika gepflanzt und in Till Mayer das Pflänzchen namens Journalismus, das stetig wuchs und gedieh. Till wurde freier Mitarbeiter, besuchte Versammlungen der Kaninchenzüchter, trieb sich in Gemeinderäten herum und bald stand sein Berufswunsch fest. Sein Volontariat konnte er leider nicht beim KURIER antreten, sondern musste zu einer Nachbarzeitung ausweichen. Aber, und das ist das Schöne an meiner Freundschaft mit Till Mayer, wir haben uns nie aus den Augen verloren.

Unbeirrt davon, dass ich nie kommen konnte, lud er mich zu seinen Ausstellungseröffnungen und Buchvorstellungen ein und besuchte mich ab und an zuhause oder in der Redaktion. Und sei es nur, um mir meine lebensgroße Pappfigur von Marilyn Monroe abzuluchsen, in die wir beide irgendwie verknallt waren.

Diese Treue zu einem alten Lehrmeister ist umso wohltuender als mich viele andere aus der „Tauber’schen Kaderschmiede“ offenbar längst vergessen haben oder mir allenfalls einmal im Jahr über Facebook zum Geburtstag gratulieren. Zur Vorbereitung dieser Till-Mayer-Ausstellung habe ich mal so überschlagen, mit wie vielen Volontären ich bei drei Zeitungen in fünf Redaktionen zu tun hatte und bin auf mindestens 150 gekommen, dazu noch einmal so viele Praktikanten.

Ich bin schon ein wenig stolz darauf, dass ich doch einigen jungen Leuten etwas beibringen konnte oder sie gar erst in diesen Beruf gebracht habe (was ich übrigens heute nicht mehr empfehlen könnte). Manche sind heute selbst wohlbestallte Redaktionsleiter oder geschätzte Kollegen beim Rundfunk und beim Fernsehen. Der eine oder andere Volontär von damals hat Karriere bei Springer gemacht und – „Was erlauben Strunz?“ – hat heute eine eigene Talkshow im Fernsehen.

Eine Volontärin hat mich damals so mit ihrer Art und ihrem Engagement beeindruckt, dass ich meine Tochter nach ihr getauft habe. Aus der damaligen Volontärin wurde inzwischen eine deutsche Diplomatin und Botschafterin in Osteuropa, zeitweise war sie Vorsitzende der Kommission für Frauenrechte der UNO in New York.

Einem anderen Volontär, der in der Redaktion immer Filzpantoffeln trug, musste ich nach wenigen Wochen allerdings mitteilen, dass seine Begabungen doch auf anderen Feldern lägen – wo auch immer. Er wurde später Botschaftssekretär in Afrika.

Und da war dann eben dieser ungeschliffene Diamant Till Mayer, inzwischen  ein funkelnder Edelstein der Zunft, ein gestandener Reporter mit 43 Jahren, der jetzt aus seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz plaudern und Ihnen dann in der Galerie im Treppenhaus seine Arbeiten vorstellen wird.

Mein Ex-Redaktionskollege Klaus Altmann-Dangelat hätte jetzt wieder gesagt: „Opa hat wieder vom Krieg erzählt“. Ich hoffe dennoch, dass Sie sich nicht allzu sehr gelangweilt haben. Danke für Ihre Geduld…"

Kurt Tauber


Alle Informationen zur Till-Mayer-Ausstellung finden Sie hier


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